Technik-Tag

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„Laden ist so einfach wie tanken“ wird von einigen E-Auto Enthusiasten in die Welt gebrüllt. In Verkaufsgesprächen bzw. in Beratungen zum elektrischen Fahren stelle ich an dieser Stelle immer gerne die Frage „Möchtest Du einfach nur Autofahren oder Physik studieren?“. Zwar ist das etwas übertrieben ausgedrückt, doch es gibt für mich zwei große Fraktionen beim E-Auto. Die einen wollen wirklich nur von A nach B kommen und sich um bloß nicht kümmern und die anderen führen Tabellen über Ladeverluste, Durchschnittsverbräuche und erstellen Ladekurven. Wer mich kennt, weiß zu welcher Fraktion ich gehöre.
Dieser Artikel richtet sich eher an die Leute, die es etwas genauer wissen möchten. Für alle anderen gilt: Ladet euer Auto, bevor der Akku leer ist und fertig.

Begriffe

Um im weiteren Verlauf keine Unklarheiten bei Begriffen und Abkürzungen zu haben, hier eine kleine Übersicht.

  • kW = Kilowatt, Watt gibt die Leistung an. (Motorleistung, Ladeleistung etc.)
  • kWh = Kilowattstunde, gibt die elektrische Kapazität an.
  • SoC = State of Charge, gemeint ist der Ladezustand des Akkus. Angegeben in 0 bis 100 Prozent
  • SoH = State of Health, so wird die „Akkugesundheit“ angegeben. Gemeint ist, wie viel Prozent der anfänglichen Kapazität noch zur Verfügung stehen.
  • Ladeleistungspeak = Maximale Ladeleistung in kW
  • Ladeverlust = Im Auto landet weniger Energie, als die Ladesäule aufwendet, um das Auto zu laden. Durch Wärmeverluste, Widerstände oder einfach den eigenen Stromverbrauch der Ladesäule
  • NMC-Akku = Chemische Zusammensetzung des Akkus. In diesem Fall: Nickel-Mangan-Kobalt
  • LPF-Akku Chemische Zusammensetzung des Akkus. In diesem Fall: Lithium-Eisenphosphat

Ladekurve

Ladekurve Megane E-Tech

Der neue Vergleichswert an Stammtischen ist nicht mehr die Fahrzeugleistung, sondern die Ladegeschwindigkeit. Gerne geben Hersteller diese an. Der Megane lässt sich zum Beispiel mit 130 kW laden. Andere Elektroautos wie der Hyundai Ioniq 5 sogar mit bis zu 225 kW.
Um das mal in Relation zu bringen: Mit der Leistung von 130 kW könnte man über 150 Staubsauger betreiben. Doch wie aussagekräftig ist dieser Wert? Denn damit ist nicht gemeint, dass der Akku von 0-100 Prozent mit dieser Leistung geladen werden kann, sondern dieser Wert entspricht dem Ladepeak. Je voller der Akku ist, desto langsamer lässt sich dieser laden.
Um dies bildlich einzuordnen: Der Akku ist ein Wasserglas, das man füllt. Je voller das Glas wird, umso langsamer schüttet man ein, um nicht überzuschütten.
Die Ladeleistung, bzw. der Ladepeak, gibt zwar eine Vorahnung wie schnell ein Auto lädt, für sich alleine ist dieser Wert aber wenig aussagekräftig. Eine viel sinnvollere Angabe ist zum Beispiel wie lange ein Auto von 20 bis 80 Prozent lädt. Beim Megane sind das z.B. laut Renault 30 Minuten. Funktioniert das Laden einwandfrei und hat man seinen Akku vorklimatisiert, (Akkuheizung) dann kommt dieser Wert auch gut hin.
Die Ladekurve entsteht durch das immer langsamere Laden bei vollerem Akku. Genau diese Kurve ist es auch schuld, weshalb es auf der Langstrecke am Schnelllader keinen Sinn macht, den Akku bis 100% zu laden. Dazu aber später mehr.
Andere Faktoren die einen Einfluss auf die Kurve haben, sind das Wetter, der Ladezustand, die Temperatur des Akkus und die Ladesäule selbst.

Tesla V2 Supercharger mit 150 kW Ladeleistung


Viele Ladesäulen haben irgendwo einen Aufkleber stehen, der die maximale Ladeleistung der Säule angibt. In der Regel sind dies bei Schnellladern 300 kW. Wenn die Säule selbst mehrere Anschlüsse hat (meist sind es zwei), sollte man beachten, dass sich die maximale Ladeleistung auf beide Autos aufteilt. Heißt: Schließt man zwei Megane an eine Säule mit 150 kW Ladeleistung an, laden beide Fahrzeuge nur mit 75 kW, obwohl das Auto theoretisch mit 130 kW geladen werden kann.
Daher mein Tipp: Sollte es mehrere Ladesäulen geben, immer an die Säule stellen, an der noch kein anderer steht.
Der Ladesäulen-Anbieter Ionity bildet hier übrigens die Ausnahme. Pro Ladesäule kann nur ein Auto laden und dies auch immer mit der vollen Leistung.

Ladeverluste

Beim Laden eines E-Autos entstehen unweigerlich elektrische Verluste, die der Kunde zu zahlen hat. Schon öfters ist es vorgekommen, dass ich darauf angesprochen wurde. „Die Ladesäule hat mehr geladen, als die Kapazität meines Akkus beträgt“. Wenn man einen sehr leeren Akku auf 100 Prozent lädt, kann das durchaus sein.
Die höchsten Verluste entstehen beim Laden über die Steckdose. Diese Verluste können rund 20% betragen. Das ist durchaus beträchtlich, wenn man viel laden muss. Die Ladeverluste reduzieren sich, wenn man den Akku schneller lädt, bzw. über eine Wallbox.
Ganz grob kann man sagen, dass der Verlust an einer Wallbox nur 5-10% beträgt. Am Schnelllader habe ich sogar schon noch kleinere Ladeverluste gemessen.
Vielen Kunden gebe ich aber mit auf den Weg, dass eine Steckdose völlig ausreichend ist, um das E-Auto zu laden. Bei der Installation sollte immer Rücksprache mit einem Elektriker gehalten werden und ich empfehle immer verhältnismäßig große Querschnitte bei den Kabeln zu verwenden, das reduziert durch weniger Wärme die Verluste.

Akkugesundheit

Die Akkugesundheit ist auch immer so ein Thema bei mir am Arbeitsplatz. Aber vorab die Faustregel: Der Akku sollte sich stehts bei einem Ladezustand zwischen 20 bis 80 Prozent befinden. Er sollte weder ganz leer, noch ganz voll sein. Wichtig: Diese Aussage bezieht sich auf NMC Akkus, die aktuell bei Renault verbaut werden. Im nächsten Jahr soll mit dem R5 die LPF-Technik Einzug finden. Bei diesen Akkus gilt diese Faustregel nicht.
Mit der Zeit verschleißen die Akkumulatoren durch das ständige Be- und Entladen. Auch hier wieder eine Faustregel: Weniger Ladegeschwindigkeit = Längere Haltbarkeit.
Man hat also selbst einen Einfluss auf die Gesundheit des Akkus. Bei Renault beträgt die Garantie auf die Akkus 8 Jahre oder 160.000 Kilometer. Die Erfahrung zeigt aber, dass Akkus in der Regel deutlich länger halten.
Solltet ihr euer Elektroauto für längere Zeit abstellen, z.B. weil ihr im Urlaub seid, dann sollte der Akku mit 50% abgestellt werden.

Der Akku gibt die Leistung an

Hier noch ein kleiner Zusatz für Nerds. Während beim herkömmlichen Auto der Energiespeicher (Tank) nichts mit der Leistung des Motors zutun hat, ist es beim E-Auto anders. Denn der Akku gibt genauso die Leistung an wie der Elektromotor.
Der Akku hat eine maximale Ausgangsleistung und sollte der Elektromotor oder die Motoren mehr Leistung haben als der Akku liefern kann, begrenzt dieser die Leistung.
Hierbei gehen grüße an Tesla raus, denen genau das passiert ist. Im Prospekt wurde die Leistung der beiden Motoren eines Model S angegeben, doch konnte der Akku gar nicht so viel Leistung liefern. Dies fiel auf dem Prüfstand einigen Kunden auf und der Hersteller wurde verklagt.

Richtig laden auf der Langstrecke

Mit dem neuen Wissen können wir also unsere Langstrecke zum Nordkapp (oder wohin auch immer) planen. Wichtig ist, dass ihr nicht wartet, bis der Akku wieder bei 100% ist. Am schnellsten kommt ihr mit dem Megane voran, wenn ihr den Akku von 10-70% ladet und dann zur nächsten Ladesäule fahrt, um wieder von 10-70% zu laden.
Habt aber ein Gefühl dafür, wo ihr seid und wie risikofreudig ihr fahrt. Mit 10% Restladung fahrt ihr je nach Bedingung nur noch 25 Kilometer weit, wenn etwas schiefgeht am geplanten Ladeort.
In Lappland reicht das nicht mal bis in’s nächste Dorf.

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